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Blattwerk – Ein Magazin von Krombacher

20Kälte mache ihr

20Kälte mache ihr nichts aus, erklärt der Förster,im Gegenteil: Die Wurzeln wachsen undgedeihen auch noch, wenn der Rest derPflanze sich schon im Winterschlaf befindetund kaum Wasser braucht. Und weil sich dieEichen in den ersten Lebensjahren eifrig derSonne entgegenstrecken, sich schnell undtief verankern im Erdreich, seien sie von großerBedeutung für die Festigkeit der Bödenund die Stabilität des gesamten Ökosystems.1,5 Millionen Bäumebraucht die RegionWas am Kindelsberg im Kleinen passiert,wird rund 35 Kilometer weiter südöstlichganz groß gedacht und gemacht. Hier,kurz vor der hessischen Landesgrenze, stehtMatthias Vollpracht auf fast 650 MeterHöhe und starrt in eine dicke Nebelsuppe.Vielleicht ist es gut, dass man heute kaum100 Meter weit sehen kann, man bekämesonst vielleicht einen Schrecken. Mehr als70 Hektar Wald, also fast hundert Fußballfelder,hätten Stürme und Schädlinge in derunmittelbaren Umgebung zu Fall gebracht,sagt Vollpracht, der als Fachgebietsleiterbei Wald und Holz NRW für 6500 Hektarim Staatswald von Siegen-Wittgenstein verantwortlichist. Der 58-Jährige wirkt nichtso, als könnte ihn viel aus der Ruhe bringen.Dann aber erzählt er, wie machtlos er sichgefühlt habe, als die Bäume immer braunerwurden und umkippten, bis an vielen Stellenplötzlich kein Stamm mehr neben dem anderenstand; als in den letzten Sommern die Luftso dick war, dass es einem den Atem raubte;als 2024 die durchschnittliche Erderwärmungden wichtigen Schwellenwert von 1,5 Gradüberschritt. Tendenz: steigend. „Wir Menschensägen an dem Ast, auf dem wir sitzen.“Wald und Holz NRW stemmt sich gegendiese Entwicklung, unterstützt von Krombacher.Das Ziel ist ambitioniert: Allein für denStaatswald Siegen-Wittgenstein brauche es1,5 Millionen neue Bäume, so Vollpracht. Einegewaltige Aufgabe, die gewaltige Veränderungenmit sich bringt. „Wichtig ist, dass wir mehrauf viele kleine Bestände mit unterschiedlichstenBaumarten setzen.“ Im Staatswald werdemit mindestens vier verschiedenen Baumartengearbeitet. Der Großteil davon ist heimisch undallen Prognosen nach klimastabil. Und da, woes gut passe, würden experimentelle Arten ergänzt,sagt der Förster.Auch moderne Technologie kommt dabeizum Einsatz. Matthias Vollpracht zücktein Tablet mit dickem Gummimantel undzeigt Luftbilder des aktuellen Standorts. MitDrohnen wird die aufzuforstende Fläche zunächstinventarisiert. Mithilfe des SystemsForstGIS werden Bodenstruktur und Standorttypenbestimmt. Auf dieser Grundlagelässt sich dann ermitteln, welche Baum artenin welcher Mischung hier am besten gedeihenund dabei noch die Boden- und Wasserverhältnissefördern. Inzwischen können sichdie Försterinnen und Förster sogar Simulationenanzeigen lassen, die die wahrscheinlichstenFolgen unterschiedlicher Klimaszenarienvorhersagen.Massephase: Um bei derAufwaldung den großenWurf zu machen, brauchtes viele Kräfte, die vielwegarbeiten – so wie dieFörster des LandesbetriebsWald und Holz NRW, diezusammen mit professionellenPflanztrupps großeBrachflächen beackern„Wir müssen völlig neu denken,noch enger kooperieren,Matthias Vollpracht,große Ziele setzen“ FörsterDas Tablet zeigt jetzt ein kunterbuntesSchachbrettmuster an, das die Forstfläche ingrüne, violette, gelbe, blaue und orangefarbeneFelder einteilt. Jede Farbe steht für eineBaumart: Neben der Eiche sind auch vieleandere Arten gelistet, die die Hitzeperiodender jüngsten Vergangenheit gut überstandenhaben: Bergahorn, Kirsche, Küstentanne,Zeder, Linde. Dazu kommen Schwarzkieferund Douglasie, schließlich sind auchNadelhölzer wichtig für die Artenvielfalt.Rund 100 000 Pflanzen sollen auf der55 Hektar großen Fläche an der Lahnquellein die Erde kommen. Dazu brauche es aberprofessionelle Pflanzer, die das Forstamtunterstützen und richtig Strecke machen.Viele von ihnen kämen aus Ländern, die Erfahrungmit Flächenaufforstung haben. DiePflanzer schwärmen dann in Trupps von biszu 20 Personen aus, steuern die markiertenParzellen an, bereiten die Pflanzplätze vor,bringen die verschiedenen Baumarten mitden Wurzeln in die Erde, treten das Erdreichfür einen sicheren Sitz fest und befestigendann noch Schutzhüllen gegen Wildverbiss.Bis zu 40 Bäume schafft ein Profi pro Stunde.„Im Hinblick auf den klimastabilenZukunftswald müssen wir die Waldbewirtschaftungvöllig neu denken und nochenger zusammenarbeiten, um die großenZiele auch im Hinblick auf die gesellschaftlicheVerantwortung und die gesellschaftlichenAuswirkungen zu erreichen“, sagtVollpracht. Da brauche es auch ein starkesEngagement von Unternehmen, die häufig40BÄUME PRO STUNDEschafft ein Profipflanzer.Dabei nimmt er nicht nurden Hohlspaten zur Hand,sondern auch die RhodenerHaue. Diese Hacke rammtsenkrecht in den Bodenund schafft durchs Weghebelneinen Spalt imErdreich, in den der Setzlingplatziert wird. Dannwird das Loch durch eineGegenbewegung wiedergeschlossen

Aufforstung21